diese Arbeit entstand für die Ausstellung der Gruppe Novem im Jahr 2021

 Jubiläumsausstellung 20 Jahre Novem in der Rathausgalerie Graz Februar/März 

 

Die grafischen Aspekte im Geäst

Interview von Andreas Bernthaler im ‘Der Mürzpanther’ (dMP)

 

Es mutet wie die Verbindung zweier Zuneigungen an: die zur Natur und die zur Fotografie. Besucht man die neulich eröffnete Ausstellung der Kulturvermittlung Steiermark, bleibt man schnell bei den Fotos von Silvia Hänni, Fotografin aus der Schweiz, hängen. Mich haben sofort der grafische Aspekt angesprochen, zweimal hinschauen zu müssen und die Sicht auf die Natur: Ein Wasserlauf vielleicht, ein Ast und Wind und all die Situationen, die sich nicht wiederholen. Es ist auch die malerische Komponente, die mir so gut gefällt inmitten der Vielfaltigkeit der Ausstellungsexponate in der Fotogalerie im Grazer Rathaus. Bezugnehmend – auch im Titel: er und ich – auf die Abschiedsausstellung von Erich Kees, dessen Kurse Silvia Hänni gerne besucht hat, wird es auch zu einer Hommage. Mehr darüber hat der MÜRZPANTHER in einem spannenden Gespräch mit der Fotografin erfahren. Dazu: Lesen Sie auch das Interview mit Gerhard Gross von der Kulturvermittlung Steiermark (www.der-muerzpanther.com)

 

dMP: Gibt es für Sie historisch gesehen so etwas wie „den Fotografen“? - Gerade in der Schweiz gibt es eine Unzahl an berühmten Fotografen.

Silvia Hänni: Für mich gibt es das nicht. Die ersten mir bekannt gewordenen Fotografen waren Henri Cartier-Bresson, René Burri, Gotthard Schuh und Werner Bischof. Bei uns zuhause stand ein Buch mit Kinderportraits aus der ganzen Welt von diesen Fotografen. Als ich meinen ersten s/w Entwicklungs- und Bearbeitungskurs machte war natürlich auch von Ansel Adams die Rede.

dMP: Existiert für Sie das Thema Fotografie als „Dokumentation“ oder als künstlerischer Ausdruck – oder irgendwo dazwischen?

Silvia Hänni: Auf Reisen versuche ich nicht Gebäude dokumentarisch festzuhalten, sondern Eindrücke in dem Land zu sammeln. Das können auch Gebäude in besonderem Kontext sein oder Details davon. Ich bin zu wenig genau für die Dokumentationsfotografie und sie interessiert mich in dem Sinn auch nicht.

dMP: Was ist Ihr künstlerischer Zugang oder Aspekt in den Fotografien?

Silvia Hänni: Was mir wichtig ist und was mich anspricht. Das versuche ich umzusetzen. Es hat sich im Laufe der Zeit auch verändert. Meine Stimmung beeinflusst die Bilder. Fotografieren ist für mich, wie versinken in eine andere Welt, wie meditieren.

dMP: Was ist der Reiz des s/w? Welche Möglichkeiten setzen Sie im Gegensatz zu Farbe damit um?

Silvia Hänni: Seit dem digitalen Zeitalter fotografierte ich nicht mehr in s/w. Auf die Jubiläumsausstellung hin habe ich s/w neu entdeckt. Mit dem Ausklammern der Farbe wollte ich nur Form, Struktur, Muster festhalten. Es sollte nicht auf den ersten Blick erkannt werden, was es wirklich ist. Die s/w Fotografie hat mich wieder gepackt und ich werde weiter daran arbeiten.

dMP: Stellt für Sie das Smart Phone mit Fotofunktion eine fotografische Erweiterung des Zugangs dar- oder ist es auch der Reiz der „minderen“ Qualität des Prints/Abzugs, der dadurch auch wieder einen Reiz bekommt?

Silvia Hänni: Da bin ich reingerutscht. Das Handy ist immer mit dabei auf meinen vielen Spaziergängen seit dem Lockdown und ich begann, kleine Serien auf den Status von Whatsapp zu stellen. Das Format faszinierte mich. Darauf probierte ich aus, was mit den diversen Filtern im Handy möglich ist, etc. Die «mindere» Qualität kann manchmal Strukturen ins Bild bringen, die mir gefallen.

dMP: Die Werke in der Ausstellung der Gruppe Novem im Grazer Rathaus sind sehr „grafisch“ mit viel Bewegung. Ist das bereits die Abstraktion des Fotos?

Silvia Hänni: Durch die starke Bearbeitung der Kontraste (dem Licht, dem Schatten und den verschiedenen Ebenen) im Bild versuchte ich eine abstrakte Wirkung zu erzielen. Auf diese Art sieht man erst auf den zweiten Blick, was auf dem Bild wirklich abgebildet ist..

dMP: Zu den Themen: die Natur als endloser Sujet Lieferant? Was ist der besondere Reiz? Welche Themen haben Sie immer besonders gerne und wiederholt aufgenommen? In der Fotografie sind durch internationale Entwicklungen wieder soziale Themen in den Fokus gerückt- ein bedeutendes und unabdingbares Element der Fotografie?

Silvia Hänni: Die Natur als endloser Sujet Lieferant passt super. Das Wetter, die Jahreszeit, das Licht, das Wachstum, etc. bringen ständige Änderungen in der Natur. Man kann kaum wieder eine gleiche Situation antreffen. Mich faszinieren immer wieder Linien und Formen, also Grafik in der Landschaft, im Geäst oder im Wasser. Ich fühle mich auch angezogen von Leere oder Chaos in der Natur oder auch von vielen kleinen Details. Was mich immer anzieht sind Spiegelungen in der Natur oder in der Architektur. In den letzten Jahren fing ich auch an auf Reisen Streetsituationen zu fotografieren. Grundsätzlich finde ich, dass jedes Thema von der Fotografie aufgegriffen werden kann.

dMP: Wie beschreiben Sie selbst Ihre sehr malerischen Bilder? Mit der Kamera gemalt. Eine Weiterführung von Abstraktion in der Natur. Nicht nur das vorhandene »abstrakt» aufgenommen, sondern mit Bewegung beeinflusst. Wie war Ihre Herangehensweise: Eine fertige Vorstellung im Kopf, oder experimentell vor Ort? Silvia Hänni: Im Moment habe ich das Malen immer im Hinterkopf. Wenn ich den Eindruck habe, ein Ort sei ideal dazu, dann male ich, das genaue Resultat ist meist nicht voraussehbar. Ich habe noch Unmengen von gemalten Fotos, die ich auf ihre Tauglichkeit prüfen muss. Ich malte vereinzelt schon zu analogen Zeiten, vor mehr als zwanzig Jahren.

dMP: Gibt es so etwas wie „schweizerische“ Themen? Oder: beraubt die „Internationalisierung“ nicht den Fotografen der Besonderheit bspsweise einer Region?

Silvia Hänni: Ich würde sagen alles, was mit Bräuchen vor Ort zu tun hat, sind spezielle Landtypische Themen und zwar in jedem Land. Wie man ein Thema umsetzt, ist immer persönlich, aus der eigenen Sicht. Dies kann nie objektiv sein. Das ist ja das spannende.  - Zu einem bestimmten Thema (z.B. bei der Gruppe Nuur mit dem Jahresthema oder einem Ausflug, etc.) beginne ich meistens mit einem Brainstorming, überlege mir bestimmte Situationen, bin dann aber auch offen für neue Möglichkeiten vor Ort. Z.B. beim Jahresthema 2012 «Nuur geht auf Reisen» nahm ich mir das Thema Bahnhöfe vor und machte über mehrere Monate an verschiedenen Orten Fotos . – Beim gemeinsamen Ausflug nach Stans 2018 an einem sonnigen heißen Tag, entschloss ich mich spontan vor Ort, mich hauptsächlich auf die Schatten zu konzentrieren. Beim Fotografieren in der Natur habe ich oft meine Themen im Hinterkopf und fotografiere entsprechend, was ich antreffe. Da sind die Fragen dabei, was will ich festhalten und wie setze ich es um.

dMP: In Ausstellungen: Wie vermitteln Sie Ihre Inhalte - gibt es dabei nicht oft „Verständnisdiskrepanzen“ zwischen dem Fotografen und dem Betrachter? Muss man aus Ihrer Sicht ein Werk „erklären“?

Silvia Hänni: Ich finde, man kann ein Werk erklären, muss aber nicht. Ein mitgelieferter Text kann manchmal hilfreich sein. Ich finde es auch spannend, wenn ein Bild mehrere mögliche Sichtweisen offenlässt. – Wie ein Betrachter ein Bild sieht, hängt auch von seinen Gefühlen und Hintergründen ab.

dMP: Wo sehen Sie die Schnittstellen von „professioneller“ Fotografie und Hobby, wie Sie es betreiben? Silvia Hänni: Ich sehe vor allem den Unterschied darin, dass der Hobby- /Amateurfotograf wählen kann, was er fotografieren will und finanziell nicht davon abhängig ist. Die Technik ist auch beim Hobby ein Thema, Kreativität und Fantasie gibt es überall. Ich denke die Schnittstellen/Übergänge sind fliessend.

dMP: Wie wichtig sind Fotoclubs für die Fotografie? Wiederholt sich da nicht oft „Spinnennetz mit Tautropfen“? Welchen Stellenwert können sie haben?

Silvia Hänni: Es ist ein guter Ort für Erfahrungsaustausch, für Diskussionen und auch für gemeinsame Ausflüge. Schwierig kann es sein allen Niveaus gerecht zu werden mit den monatlichen Themen. Offenheit, Hilfsbereitschaft und Freude an der Fotografie sind Voraussetzungen für ein gutes Klima im Klub.

dMP: Welche Eindrücke haben Sie aus der Steiermark mitgenommen? Wo sehen Sie im Vergleich zur Schweiz das Interesse an Fotografie in der Steiermark?

Silvia Hänni: Ich erlebte mehrfach, dass in Graz einiges für die Fotografie unternommen wird. Die Kulturvermittlung organisiert Ausstellungen, so auch die Photo Graz. Soviel ich weiss, gibt es diese Ausstellung jährlich und sowohl Profi- wie auch Amateur- und Hobbyfotografen können sich daran beteiligen. So eine Institution gibt es bei uns nicht.

dMP: Gehört grundsätzlich die Fotografie mehr in den künstlerischen Kontext gesetzt und auch so der Öffentlichkeit präsentiert?

Silvia Hänni: Schön wäre es, wenn die Fotografie bei uns mehr gefördert und unterstützt würde.

dMP: Herzlichen Dank fürs Gespräch